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Zurück in Südafrika

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Ach Südafrika! Irgendwie werden wir nicht warm miteinander. Dabei bist Du ein wirklich schönes Land. Hast so viele Gesichter wie wahrscheinlich kaum ein anderes in Afrika: Deine grünen, kühlen Hänge der Drakensberge von KwaZulu-Natal, Deine dornige Halbwüste Karoo, Dein liebliches Weinland rund um Stellenbosch, Dein wildes Urland des Krügerparks, Deine weiten Strände entlang der Garden Route …, und man kann Kapstadt, Dein ganzer Stolz, nicht  unbedingt als die schönste, aber bedenkenlos als die glitzerndste Metropole des Kontinents nennen.

Und es ist so einfach, durch Südafrika zu Reisen. Die Straßen sind größtenteils geteert – wenn auch über weite Strecken in ziemlich desolatem Zustand. In den Supermärkten kriegen wir alles, was der Gaumen begehrt. Jeden Abend landen wir auf einem schmucken Campingplatz mit heißer Dusche, sauberen Klos, Stromanschlüssen und Grill an allen Stellplätzen. An der Rezeption steht ein Kühlschrank, der auch funktioniert, und darin reihen sich ungefähr 100 verschiedene Biersorten aneinander. Von einer Herausforderung kann bei diesen Schlaraffenlandzuständen keine Rede sein. Vielleicht ist das ja genau das Problem: wir fühlen uns in Südafrika als Touristen, nicht als Reisende; wir sind Urlauber hier, keine Abenteurer.

 

Wir reisen diesmal über staubige Pisten von Namibia ins Land ein. Der kleine, abgelegene Grenzübergang Mata Mata ist gleichzeitig Tor zu einem der schönsten Nationalparks, den wir in Südafrika besucht haben: der Kgalagadi Transfrontier N.P. . Das 40.000 qkm große Gebiet wird von Südafrika und Botswana gemeinsam verwaltet. Zwei Flusssysteme ziehen sich durch die karge Halbwüste, der Aob und der Nossob. Wasser führen die Flüsse allerdings selten; der Nossob ganze drei Mal im letzten Jahrhundert: 1926, 1963 und 1996.

* siehe Textende
* siehe Textende

Die Pisten im Park folgen meist den sandigen, ausgetrockneten Flussbetten, und das aus gutem Grund: hier konzentriert sich eine Tierwelt, deren Vielfalt in dieser harschen Gegend verblüfft. Wir folgen der Anweisung des Rangers und reduzieren unseren Reifendruck, um uns im Sand nicht festzufahren. Wir haben das Lager Mata Mata noch nicht einmal verlassen, da beobachten wir in der Ferne schon den ersten Geparden, und nach wenigen Kilometern entdecken wir eine Gepardenmutter mit ihren drei wenige Wochen alten Jungen. Die Tiere laben sich an einem erlegten Impala. Schakale schleichen um die Familie und hoffen auf ein paar Überreste. Manchmal springen die jungen Geparde auf und scheuchen die doppelt so großen Schakale weg wie lästige Fliegen. Und auch die Mutter ist sichtlich genervt von diesen Quälgeistern und jagt das eine oder andere Tier in die Flucht. Was für ein Erlebnis. Wir haben schon viele Male Großkatzen in Afrika beobachtet, doch meisten dösen sie müde im Schatten herum oder fressen sich gemächlich an einem Opfertier satt. Großkatzen in vollem Lauf kriegt man ganz selten zu sehen.

 

Und so geht es weiter im Kgalagadi Transfrontier Nationalpark: ein Löwenpaar, das eine erlegte Antilope aufreißt, eine Oryxantilope im vollen Galopp, Geier, die um ein Gerippe kreisen … die Flussbetten hier sind wie Autobahnen der Wildtiere – und wir stehen am Pannenstreifen und verfolgen das nicht selten blutige Geschehen.

Die kürzeste Strecke in den Osten Südafrikas führt über ein einsames Hochplateau durch die Provinzen Northern Cape und North West. Die durchgehend geteerte Straße zerschneidet kurvenlos ein karges, einsames Buschland. Nur wenige Städte passieren wir entlang der Strecke. Sie heißen Upington, Kuruman oder Vryburg - schmucklose Burenhochburgen, die als Versorgungszentrum für weit auseinanderliegende Farmen dienen. Vier Tage lassen wir uns Zeit für die 1.400 Kilometer zum Krügerpark. Wir lieben eigentlich solche Strecken: endloses Land zieht an uns vorbei, aus den Lautsprechern müht sich Eric Claptons Musik tapfer, den Fahrtwind zu übertönen, mittags schmieren wir uns eine Scheibe von Sabines selbstgebackenem Brot, am frühen Nachmittag schon suchen wir uns ein Plätzchen für die Nacht und landen an einem der oben beschriebenen Campingplätze, wo nur noch die Frage zu klären ist, für welche Biersorte wir uns heute Abend entscheiden.

 

Und erst allmählich wird es uns wieder bewusst: das alles hat so wenig mit Afrika zu tun wie Sushi mit Döner. Wir reisen durch eine von Weißen für Weiße geformte Welt. Wir registrieren zwar die Wucherung einfacher Wellblechhütten, in denen die Schwarzen um jedes Städtchen herum hausen, wir begrüßen die schwarze Putzfrau des Campingplatzes und halten einen kurzen Schwatz mit ihr, und dem schwarzen Tankwart, der gebannt vor Mathilda steht, lassen wir einen Blick in unsere Wohnkabine werfen, doch echte Kontakte zwischen uns und der schwarzen Bevölkerung kommen selten auf – im Gegensatz zu allen ostafrikanischen Ländern z.B., wo sie herrlich selbstverständlich und alltäglich waren. Stattdessen bewegen wir uns im Kosmos einer weißen, leicht bornierten, burischen Gesellschaft, die starrköpfig der Vergangenheit nachjammert, obgleich sie immer noch an den Schalthebeln der wirtschaftlichen Macht sitzt, und die sich - kein Scherz – als das auserwählte Volk des Neuen Bundes betrachtet. Als die Buren anfang des vorletzten Jahrhunderts vor der britischen Besitznahme am Kap nach Norden in die Region auswichen, durch die wir gerade unterwegs sind, da glaubten sie, den Exodus der Kinder Israels nachzuvollziehen. „Und es ist eine zutiefst patriarchalische, im Gefühl der göttlichen Prädestination lebende Gesellschaft geblieben,“ wie es Peter Scholl-Latour formuliert.

 

Man muss wohl eingestehen, dass in Südafrika das Experiment multikulturellen Zusammenlebens bislang gründlich gescheitert ist. Und sicherlich tragen Weiß und Schwarz gleichermaßen Verantwortung dafür. 18 Jahre nach dem Ende der Apartheid herrschen Misstrauen, Enttäuschung und Wut vor. Die Menschen schenken den Versprechungen des regierenden, zutiefst korrupten ANC auf ein besseres Leben für alle keinen Glauben mehr – und werden die Partei wohl dennoch wiederwählen. Die Arbeitslosigkeit liegt nach inoffiziellen Zahlen bei etwa 40 Prozent. Und was macht die Regierung? Hegt unverblümt Sympathien mit die verbrecherischen Methoden Robert Mugabes im nördlichen Nachbarland Simbabwe und setzt ansonsten den um sich greifenden sozialen Unruhen die Bereitschaftspolizei entgegen. Anfang August endete ein wilder Bergarbeiterstreik in einer Platinmine in einem Blutbad, bei dem 34 Streikende von der Polizei erschossen wurden. 45 Menschen hatte der Streik insgesamt das Leben gekostet; elf von ihnen waren von den Minenarbeiter selber ermordet worden. Hat man da noch Töne?

Nirgendwo ist die Zerrissenheit Südafrikas in diesen Tagen für uns offensichtlicher als im Krüger Nationalpark, dem touristischen Aushängeschild des Landes. Praktisch alle Angestellten im Park sind Schwarz, praktisch alle Touristen sind weiß. Die schwarze Rezeptionistin am Rest Camp behandelt uns mit unmissverständlicher Geringschätzung und unser burischer Nachbar im militant designtem Offroad-Wohnanhänger klagt, der Park gehe - wie das ganze Land - den Bach runter, und früher sei es hier viel besser, gepflegter und aufgeräumter gewesen.

Für uns ist Krüger ein grandioses Stück Wildnis in einem verwilderten Land. Auf fast 20.000 Quadratkilometern versammeln sich 49 Fisch-, 34 Amphibien-, 114 Reptil-, 507 Vogel- und 147 Säugetierarten. Tagelang sind wir auf Pirschfahrt unterwegs im Park, Mathilda rollt über Teerstraßen oder über ordentliche Pisten, doch starke Regenfällen in der vorigen Woche machen Tierbeobachtungen fast unmöglich. Frisches Grün lässt den Busch malerisch wie eine englische Parklandschaft aussehen, doch wir sehen keine 3 Meter in das Blätterwerk. Ein paar Elefanten kreuzen vor unseren Augen die Straße, gelegentlich überragen Giraffen das Pflanzenwerk und natürlich sehen wir überall die immer nervösen Impalas. Aber wo sind die Löwen, die Leoparden, die Wildhunde, Hyänen, Nashörner und Geparde?

 

Wir brauchen Hilfe und nehmen sie uns im privaten Tierreservat Sabi Sands, dass ohne Zaun in Krüger übergeht. Spontan mieten wir uns 3 Nächte in eine Gamelodge ein und werden nach Sonnenaufgang und vor Sonnenuntergang von unserem Ranger Andries und dem erfahrenen, einheimischen Trecker Lonnet im offenen Land Rover (mit Gewehr am Armaturenbrett) durch die Wildnis geführt. Hier zeigt sich, wer die Profis sind. Andries und Lonnet lesen die Zeichen der Natur wie eine Landkarte: Spuren im Sand, ein Vogelruf in der Ferne, das Gebaren der Impalas …, und sie schrecken nicht zurück, die Piste zu verlassen, in abenteuerlicher Weise quer durch den Busch zu düsen und dabei den einen oder anderen jungen Baum umzupflügen - das ist aus gutem Grund streng verboten im Krügerpark. Nicht so im Private Game Reserve: Auf einem 2 ½ -stündigen Gamedrive erleben wir mehr als nach 5 Tagen im angrenzenden Nationalpark.

Unsere Bilanz nach 3 Nächten Sabi Sands liest sich denn auch wie eine Best-of-Liste: Wir beobachten einen Leoparden mit einem erlegten Dyker in den Ästen eines gewaltigen Ebenholzbaumes. Darunter Hyänen, die um den Stamm schleichen wie eine Räuberbande. Eine Meute Wildhunde, die sich um die Überreste eines Impalas zanken. Ein Löwenmännchen, dass uns so nahe rückt, wir könnten es berühren, wenn wir nicht um unsere Hand fürchten müssten. Eines von zwei noch lebenden Spitzmaulnashörnern im Park. Eine vier Meter lange Python, die tatsächlich versucht, den Land Rover anzugreifen (Lonett packt sie sich!). Noch eine Leopardin mit ihrem 6 Wochen alten Jungen. Das Muttertier besteigt einen Felsen im Abendlicht, macht sich’s darauf bequem und räkelt sich vor unseren Kameras, als hätte sie es vor einem Spiegel geübt.

 

Einmal geraten wir in eine Elefantenherde von mindesten 20 Tieren, dazwischen ein nur wenige Tage altes Baby. Wir sind umzingelt von ebenso mächtigen wie friedlichen Dickhäutern, das einzige was uns voneinander trennt, sind kaum zwei Meter kühle Morgenluft. Das lässt uns alle im offenen Fahrzeug ohne Dach und Türen näher rücken und ganz still werden. Selbst Andries und Lonnet scheinen überwältigt zu sein von dieser wuchtigen Begegnung. Vielleicht empfinden sie gerade das gleiche wie wir: dass nämlich wir anmaßende, zanksüchtige Menschen uns selber zu wichtig nehmen. Dass wir, die selbsternannte Krönung, in dieser vollkommenen Schöpfung das leidlich Unvollkommene sind.

* Geklaut (die Bildunterschrift, nicht das Bild)!

„Natur bewegt“ ist Titel einer derzeitigen, unbedingt empfehlenswerten Fotoausstellung von einer wunderbaren Kollegin im Wirtschaftsministerium in München. Mehr unter www.carolin-tietz.de/natureart/

Auch wenn's langweilt: Tierfotos!


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